Sonntag, 13. März 2011

atomausstieg und fleischausstieg - die zwei seiten einer medaille

atomausstieg und fleischausstieg – die zwei seiten einer medaille. plädoyer für den aufbruch zu ethischem fortschritt

von christian vagedes*
manche meinen, sie hätten alles fest im griff und seien mächtiger als mutter erde. die ereignisse in japan lehren uns, dass es anders ist. nicht, dass der mensch versucht, die für ihn zum teil gefährlichen naturgewalten zu beherrschen, ist die herausforderung, vor der wir stehen. denn der mensch musste dies tun und er hat damit teilweise das leben auf der erde im guten sinne befriedet. jede küstenschutzanlage ist zeugnis dafür. was dagegen herausfordernd ist und dringend von unserer generation gelöst werden sollte, ist die gedankliche gesamteinstellung des menschen zum wert des lebens.
wer den schutz des lebens nicht ernst nimmt und wer das leben anderer aufs spiel setzt, macht sich zum vertreter einer lebensfeindlichen sichtweise und zum handlanger der vernichtung. gleich wie viele ausreden er auch präsentiert.
bereits der begriff »friedliche nutzung der kernenergie« ist ein euphemismus, denn die nutzung von atomkraft ist aufgrund der mit ihr verbundenen risiken für das leben per se nicht friedlich. die ereignisse um tschernobyl haben das bewiesen, aber wir menschen sind meister im verdrängen. solange wir nicht persönlich vom leiden betroffen sind, riskieren wir auch den gewaltsamen tod anderer. die über die medien getroffene aussage »auf deutschland haben die atomunfälle in japan keine auswirkungen« mag sachlich stimmen, ist aber zynisch und kennzeichnend für unserer herzenskalte mentalität. der absturz eines einzigen flugzeuges in einen deutschen atommeiler würde übrigens ausreichen – und wir hätten die tödlichen folgen auch hier vor ort zu tragen, abgesehen davon, dass doch betroffene menschen in japan nicht anders leiden als in deutschland.
wir menschen sind mit den ereignissen auf der welt insgesamt schon in der aufnahme und verarbeitung der informationen offenbar überfordert. deshalb brauchen wir umso mehr ethische richtlinien, an denen wir uns orientieren können. schon in kindergärten und schulen werden menschen jedoch nicht zu herzlichkeit erzogen, sondern wieder verstärkt auf das »funktionieren«. es werden dabei nicht die guten qualitäten des menschen gefördert, die schon jeder mensch mit bringt, sondern seine eingliederung in eine technologisch starke, geistig aber schwache gesellschaft.
wer die bilder der tschernobyl-opfer betrachtet, wer die missbildeten kinder sieht, die noch in nachfolgenden generationen nach tschernobyl geboren werden – und dabei an die unfälle in den japanischen atomkraftwerken denkt, kann am menschen verzweifeln. denn nach tschernobyl wäre die zeit für den konsequenten weltweiten atomausstieg reif gewesen. stattdessen trumpft die atomindustrie lauthals und frech auf, atomkraft sei klimafreundlich. und eine regierung, die sich von lobbyisten das programm diktieren lässt, schiebt den beschlossenen atomausstieg heraus oder will ihn sogar ganz rückgängig machen.
es ist nicht vermessen, darauf hinzuweisen, dass es parallelen gibt zwischen der sogenannten »friedlichen nutzung der kernenergie« und dem umgang mit den tieren bzw. mit unserer ernährung. in beiden fällen wird die lebensfeindlichkeit der alltäglichen gesellschaftlichen praxis ausgeblendet. in wahrheit stellen menschen ihren egoismus über das lebensrecht anderer, sie nehmen sich das »recht« heraus, über leben und tod anderer entscheiden zu können – und decken dieses tödliche treiben durch gesetzlich verbriefte ausreden aller art.
in der langen entwicklung der menschlichen kulturen ist es bereits gelungen, die strukturen und den umgang der menschen untereinander immer mehr zu zivilisieren. doch der nächste schritt, der dringend ansteht, wurde noch nicht vollzogen. es ist ein schritt, der aus einsicht im einzelnen menschen erwachsen muss und der kein technologischer ist, sondern im menschlichen herzen geboren werden muss – und für den wir zu werben haben, insbesondere bei den nachfolgenden generationen. es handelt sich um die durchsetzung des ethischen fortschritts als maxime, die wir schon in den zehn geboten finden und »du sollst nicht töten« lautet.
dass viele menschen für das leiden anderer zu wenig verständnis haben, dass sie den schutz des lebens nicht zur selbstverständlichkeit, zur maxime erheben, ist auch ernährungsbedingt. noch speisen sich ganze bevölkerungsmehrheiten von leid und tod – ohne dabei ein schlechtes gewissen zu haben. sie sind persönlich nicht betroffen und die stätten des grauens, in denen im maschinentakt getötet wird – die »brutstätten«, tierlager und schlachthäuser – klammern sie aus oder berufen sich auf angebliche traditionen, alles ausreden für die kälte ihrer herzen.
wir brauchen in unserer gesellschaft und weltweit einen aufbruch für den ethischen fortschritt, der dringend unseren technologischen fähigkeiten zur seite gestellt werden muss. die veganisierung als zielsetzung ist die logische schlussfolgerung dieser erkenntnis. albert schweitzer hatte recht, als er meinte, dass ethik wieder zur sache der denkenden menschen gemacht werden müsse.
zu dieser ethik, die auf der maxime »du sollst nicht töten« gründet, gehört ebenso der atom- wie der fleischausstieg. neben high-tech brauchen wir dringend »high-think« und »high-feel«, damit wir aus einsicht möglichst schnell die tödlichen teile unseres technologischen fortschritts aufgeben und durch lebensfördernde ersetzen.
* christian vagedes ist gründer und erster vorsitzender der veganen gesellschaft deutschland e. v

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